2023 - Facharbeitspreis - Altötting-Burghausen
Verschiedene Facetten der Welt im Blick
Unterschiedlicher hätten die Themen kaum sein können: Von den gesellschaftlichen Auswirkungen der Bürgermorde in Altötting 1945 über die Analyse eines Schwingungstilgers, das Wahlverhalten der Schotten und die Auswirkungen der ökologischen Bewirtschaftung auf die Artenzusammensetzung zweier Wiesenflächen bis hin zur Veränderung der politischen Sprache, die mit der Coronakrise einherging, war alles dabei. Jedes Mal, wenn einer der fünf jungen Ehrengäste am vergangenen Montagabend im König-Karlmann-Gymnasium in Altötting ans Mikrofon trat, herrschte gespannte Ruhe unter den etwa 130 Zuhörern.
Die fünf jungen Leute präsentierten ihre Arbeiten für das wissenschaftspropädeutische Seminar (W-Seminar), die jeder Schüler in Bayern vorlegen muss, wenn er sein Abitur absolvieren will. In der Q11 und den ersten Monaten der Q12 beschäftigen sich die Schüler theoretisch und praktisch mit einem ausgewählten Thema, über das sie eine Abhandlung schreiben.
Dem Lions-Club Altötting-Burghausen sind die besten W-Seminar-Arbeiten eines Abiturjahrgangs seit etwa 15 Jahren ein großer Festakt wert. Stefan Vlaho, Präsident des Lions-Clubs Altötting-Burghausen, führte als Moderator durch den Abend, für den die Gymnasien im Landkreis sowie die Berufliche Oberschule Inn-Salzach die beste W-Seminararbeit aus ihrem Haus gekürt hatten. „Ich bin von den Arbeiten der ausgewählten Schüler sehr beeindruckt“, betonte Vlaho. Der Lions-Club wolle den geehrten Abiturienten für ihre besondere Leistung, ihre Kreativität und Akribie eine Bühne bieten. Bemerkenswert fand der Lions-Präsident zudem den monatelangen leidenschaftlichen Einsatz für ihre W-Seminar-Arbeiten.
So wie das Engagement von Florian Schröck, der sein Thema „Schwingungstilger in Wolkenkratzern – Analyse und Modellbau eines Schwingungstilgers“ vorstellte. „Sehr hohe Häuser können durch Wind oder Erdbeben in Schwingungen geraten, die die Stabilität des Gebäudes gefährden“, führte der Abiturient des Burghauser Aventinus-Gymnasiums aus. Durch den Einbau von Schwingungsdämpfern, die eine gegenphasige Schwingung ausführten, werde der Effekt vermindert, erklärte Schröck. Der Physik-Fan hatte diesen Effekt in seiner Arbeit nicht nur an realen Beispielen dokumentiert, sondern auch gleich noch ein selbstgebautes Modell getestet, indem er die Beschleunigung mit einem Smartphone gemessen hat. Begleitet wurde Schröck während der Entstehungszeit seiner W-Seminararbeit von seinem Physiklehrer Ulrich Vollmann.
Theo Plank hat in der Forschungsphase seiner W-Seminararbeit „Impfnationalismus, Öffnungsdiskussionsorgien und Systemrelevanz – politische Sprache in der Coronakrise“ dagegen buchstäblich jeden Buchstaben umgedreht. Der Abiturient des König-Karlmann-Gymnasiums Altötting (KKG) beschäftigte sich – betreut durch seinen Lehrer Thomas Lorenz – akribisch mit sprach- und politikwissenschaftlicher Literatur. „An verschiedenen Einzelbeispielen aus der Zeit der Coronakrise konnte man gut erkennen, wie sich die politische Sprache durch die Pandemie verändert hat“, führte Plank aus.
Während der Altöttinger intensiv Sprache und Wörter untersuchte, schweifte Katharina Schneider in die Ferne. Die Absolventin des Kurfürst-Maximilian-Gymnasiums Burghausen nahm unter der Regie ihrer Lehrerin Victoria Weiß das Wahlverhalten der Schotten genauer ins Visier. In ihrer W-Seminararbeit „How independent does Scottland want to be: The Scottish Independence Referendum 2014 and the Brexit Referendum in comparison“ verglich die 17-Jährige das schottische Unabhängigkeitsreferendum mit der Brexitwahl. „Dabei habe ich die Umstände, die Voraussetzungen und Wahlergebnisse genaustens analysiert“, beschrieb Schneider den Zuhörern.
Die staunten an diesem Abend nicht nur über das Wahlverhalten der Schotten, sondern ließen sich auch von Johanna Mair, Absolventin der Beruflichen Oberschule Inn-Salzach, in die unterschiedlichen Methoden der Düngung, Mahd und Bodenbearbeitung sowie deren Wirkung auf Pflanzen und Bodenorganismen erläutern. Mair konnte – zur Begeisterung ihres Lehrers Kai Hager – durch eine umfassende Kartierung der untersuchten Wiesenflächen den positiven Einfluss der extensiveren Bewirtschaftungsmethoden auf die Artenzusammensetzung und die Artenvielfalt von Flora und Fauna aufzeigen.
Mindestens genauso faszinierend waren die Ausführungen von Jolanda Rieder über „Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Bürgermorde in Altötting“. Die Abiturientin des Maria-Ward-Gymnasiums Altötting beleuchtete den Tagesablauf des 28. April 1945 in Altötting, an dem sieben Bürger sterben mussten, weil sie die örtlichen Machthaber der Partei aus eigener Kraft unschädlich machen wollten. „Die direkten und langfristigen Auswirkungen auf die Täter, die Angehörigen der Opfer und das Zusammenleben der Altöttinger Bürger bis zum heutigen Tag standen dabei im Mittelpunkt meiner Arbeit“, schilderte Rieder. Sie ordnete die Bürgermorde als Exempel für Verbrechen der Nationalsozialisten in der Endphase des Zweiten Weltkrieges abschließend in einem überregionalen Zusammenhang ein.
Nach ihren Präsentationen überreichte Engelbert Leiss-Huber, Vorstand Hilfswerk Lions Club Altötting-Burghausen, den ausgewählten Schulabsolventen den Seminararbeitspreis 2023: jeweils eine Urkunde, einen Scheck über 750 Euro sowie einen Glaspokal. Letzteren hat der Landkreis Altötting gestiftet, an diesem Abend vertreten durch die stellvertretende Landrätin Ingrid Heckner.
Rudolf Schramm, Oberstudiendirektor des Hertzhaimer-Gymnasiums Trostberg und bis Sommer 2021 Schulleiter des KKG Altötting, hatte die etwa zweistündige festliche Veranstaltung organisiert. Gastgeber Georg Kronhuber, KKG-Schulleiter, freute sich nicht nur darüber, dass die Verleihung der Seminararbeitspreise 2023 in seinem Haus stattfand, sondern konnte auch stolz darauf sein, wie seine Schülerinnen Patricia Maier (Q11), Eva-Maria Niedermaier, Julia Reichl (10a) und Katrin Schuster (Q12) den Abend mit ihren musikalischen Darbietungen perfekt machten.